Wie Perlen auf der Haut

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Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Tanzfestivals Münster kehrten die ehemaligen Weltmeister im Duo-Stepptanz, Jutta Maas und Thomas Kolczewski, gemeinsam auf die Bühne zurück.

14 Ensembles, zweieinhalb Stunden Programm und ein voll besetztes Großes Haus des Theaters Münster: Das Tanzfestival Münster feierte am 16. Dezember seinen 25. Jahrestag und verzichtete auf künstlich inszenierte Jubiläumseffekte während der Vorstellung. Ingrid Heid, die von der ersten Stunde an für die künstlerische Gesamtleitung und die Organisation verantwortlich ist, rückte damit in den Mittelpunkt, wofür die Gründer „der Kooperationsgemeinschaft Münsteraner Tanzfestival“ seit 1992 eintreten: Die Begegnung der freien Tanzszene Münster mit einem Publikum, das bereit ist, sich einzulassen. Das Glück ist auf beiden Seiten; der Seite der Tänzer und der Seite der Zuschauer. An diesem Abend gab es nur eine Regieanweisung für die Verbindung zwischen Kunst und Wirklichkeit, auf tänzerisch hohem Niveau Musik mit bewegten Körpern zu verknüpfen. Erstmalig arbeiteten einige Compagnien mit Tänzerinnen und Tänzern des TanzTheaterMünster zusammen.

Jede Darbietung war ein eigenständiges Spiel mit Fantasie und Wirklichkeit, umgesetzt in den verschiedenen Tanzstilen wie Ballett, Jazz, Modern, Stepptanz, Hip Hop und Contemporary. Einige Gruppen konzentrierten sich auf technische Perfektion und ließen die Zuschauer als bewundernde Betrachter zurück, andere interpretierten farbenfroh das ausgewählte Musikstück und blieben doch auf der Bühne unter sich. Es gab jedoch an diesem Abend auch Darbietungen, die virtuos ausgeführte Tanzschritte scheinbar beiläufig und leicht einsetzten, um eine Geschichte zu erzählen und um diese mit dem Publikum zu teilen. Ohne den Tanz zu verbiegen oder mit Hieroglyphen zu irritieren, wurde an diesem Abend große Erzählkunst geboten.

Ähnlich wie die eines indischen Kathakali Tänzers, dessen Magie in der gemalten Maske und den gewickelten Röcken steckt und der die Geschichte, die sein Tanz erzählt, niemals verlässt. Mit gleicher Ausdruckskraft und einer fesselnden Mischung aus Drama, Tanz und Musik erzählten Jutta Maas und Thomas Kolczewski ihre Geschichte – ganz ohne Maskierung und Kostüm. Sie mussten nicht erst in sie hineinfinden. Thomas Kolczewski brachte sie mit dem ersten Sprung mit auf die Bühne. Sie steckte unter ihrer Haut, in ihrer Seele, in ihren Füßen. Die Atmosphäre ist temperamentvoll geladen, die Bewegungsbilder sind konkret und schnell. Und gleichzeitig ist da diese vertraute Intensität. Das Publikum fühlt die Spannung, die durch den Wechsel von elegisch-zarten Momenten und perfektem Miteinander entsteht. Maas und Kolczewski gelang es erneut, den Stepptanz durch die Einbindung von stilfremden Elementen wie Lyrical- ,Jazz- und Modern, von den Vorstellungen der 50er Jahre Choreographien, die als rhythmische Lautmalereien auf der Oberfläche der Musik hörbar wurden, zu befreien. Die ehemaligen Weltmeister im Duo Stepptanz gaben sich in ihrer geteilten Leidenschaft zu erkennen. Sie folgten ihrer Sehnsucht, an den Ort zurückzukehren, an dem sich ihre gemeinsame Bestimmung erfüllt: Eine Geschichte in der Musik wachsen zu lassen bis sich der Kern des Schmerzes, der in jedem Glück enthalten ist, enthüllt. Am Ende stehen sie da umhüllt von Musik und Licht und haben einander gefunden. Und doch ist das Ende offen. „This place so close“, zwei Musikstücke von Ólafur Arnalds bildeten den illustrativen Klangteppich für die spannungsgeladene Darbietung. Diese Geschichte mit dem Publikum zu teilen, war eine Möglichkeit. Am Ende blieb sie wie Perlen auf der Haut. Eine erfüllte Wirklichkeit.

Die Rebel Dance Company zeigte einen getanzten Dialog zwischen Gott und dem Menschen. Die Wahrhaftigkeit großer Gefühle benötigt die Poesie, damit sie sichtbar wird. Mit der Sensibilität des klassischen Balletts füllten die Tänzer, allen voran Katharina Szöke, die tatsächliche Stille mit Elementen des Jazz- und Modern Dance. Auch wenn die Botschaft auf der Bühne für den einen oder anderen Zuschauer verschlüsselt blieb, gelang es den beiden Choreographen Kana Mabuchi und Alessio Sanna Unsichtbares sichtbar zu machen. Die Intensität des Tanzes hatte nichts Melancholisches, sondern konzentrierte sich auf die Bilder in der Musik.

Bilder des Alltags brachten Notik und AKATSUKI auf die Bühne. Kraftvoll, ansteckend und mit einer Aufmerksamkeit dem Leben gegenüber, die die Tänzer für das Publikum in lebendige Tanzszenen verwandelte. Manchmal bietet eine Stadt nicht genug Platz für Fahrräder und junge Tänzer, die ihrem Lebensgefühl Ausdruck verleihen wollen. Bruno de Carvalho inszenierte mit seinen Tänzern Begegnungen auf der Straße, für einen Moment ganz nah und doch zu flüchtig, um Spuren zu hinterlassen. Juan Lopez kam mit seiner Hip Hop Formation „A.K.A.T.S.U.K.I.“ und zeigte Passagen des aktuellen Meisterschafts-Stücks, mit dem sie sich 2017 zum Norddeutschen Meister getanzt haben. Die Lebensfreude in den getanzten Club- und Barszenen schwappte gewaltig bis ins Publikum. Im Vordergrund standen Freude und Leichtigkeit. Die technische Perfektion blieb ein sicher gespieltes Instrument.

Auf dem Heimweg bin ich glücklich, dass ich dabei sein durfte. Getanzte Geschichten als Perlen auf meiner Haut, sanft schimmernd bleiben sie dort liegen und überlassen es mir, wann ich sie davon rollen lasse. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass der bekannte TV-Moderator, Matthias Bongard, mit humorigen Weihnachtsgedichten und Anekdoten durch das Programm führte und sich selbst mehrfach die Frage stellen musste, wie er nun zu dem nächsten Stück zurückkehren solle. Während ich dies schreibe, habe ich ihm verziehen. Auch er hat das mit auf die Bühne gebracht, was er hat. Sich selbst.